Der diesjährige Vereinsausflug führte uns am 20. und 21. Oktober 2018 ins Nördlinger Ries. Auf Einladung der Rieser Sternfreunde machten sich an diesem Samstag Morgen ca. 10 Mitglieder von Astronomie im Chiemgau auf den Weg zu einem der best erhaltenen Meteoriten-Einschlagkrater Europas, in dessen Inneren die malerische bayrisch-schwäbische Grenzstadt Nördlingen mit ihren mittelalterlichen Häusern und ihrer völlig erhaltenen Stadtmauer liegt.
Das Wetter war zunächst eher zweifelhaft, besserte sich aber rasch, und die Sonne ließ sich sehen, als wir nach etwas über 2 Stunden Fahrt die Stadt erreichten. Dort trafen wir uns mit dem Chef der Rieser Sternfreunde, Gerald Kalthof, dem wir das wundervolle Programm zu verdanken haben. Nach einem schwäbischen Mittagessen im „Roten Ochsen“ machten wir uns auf den Weg zum Rand des riesigen Kraters, um die Spuren des kosmischen Ereignisses in Augenschein zu nehmen.
Das Nördlinger Ries entstand, nach allem was wir heute wissen, durch den Einschlag eines Asteroiden von ca. 1,5 km Durchmesser vor etwa 14,5 Millionen Jahren. Wahrscheinlich hatte dieser Asteroid auch einen kleinen Mond, der ebenfalls einschlug und das etwa 40 km von Nördlingen entfernte Steinheimer Becken erzeugte. Der Asteroid durchschlug die Kalksteinschichten der Schwäbischen Alb bis in das darunterliegende Grundgestein in mehreren Kilometern Tiefe, und verdampfte dabei. Die folgende ungeheure Explosion riss einen kilometertiefen Krater und schleuderte kilometergroße Teile der Erdkruste auf- und übereinander.
Der Krater füllte sich danach mit enormen Schuttmassen, später lief er mit Wasser voll und es bildete sich ein See. Der Blitz und die Druckwelle der Explosion müssen alles Leben im Umkreis von mehreren hundert Kilometern sofort vernichtet haben, und es hat vermutlich einige Jahrhunderte gedauert, ehe der Krater und die Trümmermassen so weit abgekühlt waren, dass die ersten Lebensformen zurückkehren konnten.
Später verlandete der See und bildete eine fruchtbare Ebene. Die Menschen, die lange Zeit danach das Gebiet besiedelten, konnten hier alle Arten von Feldfrüchten anbauen, im Gegensatz zur umliegenden, kargen Karstlandschaft der Schwäbischen und Fränkischen Alb, die vielerorts nur Schafzucht zulässt. Nicht zuletzt diesem Umstand verdankte die Stadt Nördlingen im Mittelalter ihren Wohlstand.
Unter der äußerst sachkundigen, kompetenten und sehr engagierten Führung von Gisela Pösges, Rieser Chefgeologin, besichtigten wir den stillgelegten Steinbruch „Lindle“ im Geopark „Ries“. Hier konnten wir nun sehr deutlich sehen, was der Einschlag tatsächlich angerichtet hat. Auf engstem Raum liegen hier verschiedenste Gesteinsarten unmittelbar nebeneinander. Hunderte Meter große Brocken der Erdkruste sind aus ihrer Lage geworfen und verdreht worden. Überall findet sich der Suevit, ein Gestein, das auf den ersten Blick wie Beton aussieht und das aus zermahlenen, durch Hitze verbackenen Gesteinen entstanden ist.
Anschließend besuchten wir die nahegelegenen Ofnet-Höhlen. In diesen Kalksteinhöhlen sind Spuren von Steinzeitmenschen gefunden worden. Nach einem kurzen Aufstieg konnten wir diese Höhlen besichtigen und den Panoramablick von der davor gelegenen Terrasse genießen. Am Fuß des Berges konnten wir außerdem die Grundmauern eines römischen Gutshofs in Augenschein nehmen, der hier vor etwa 2000 Jahren errichtet worden ist. Das Nördlinger Ries hat offensichtlich schon den Römern und bereits lange davor den Höhlenmenschen gute Lebensbedingungen geboten.
Danach ging es zum Abendessen in das Jagdhaus „Alte Bürg“. Zuvor statteten wir aber noch einem nahegelegen, kleinen Steinbruch einen Besuch ab. Hier wurden im Mittelalter aus dem Suevit die Steine gebrochen, aus denen ein Großteil von Nördlingen erbaut wurde, einschließlich seiner imposanten, kathedralenartigen Pfarrkirche St. Georg. Wir hatten Gelegenheit, selbst einige Proben von Suevit zu gewinnen. Gisela Pösges lieh uns dazu einen Geologenhammer, der zuvor dem leider viel zu früh verstorbenen amerikanischen Geologen Eugene Shoemaker gehört hatte. Shoemaker erkannte nicht nur 1960 das Nördlinger Ries als Einschlagkrater, sondern war auch Mitentdecker des Kometen Shoemaker-Levy 9, der 1994 auf dem Jupiter einschlug. Heute ist Shoemaker Ehrenbürger der Stadt Nördlingen, und der Platz vor dem Rieskratermuseum ist nach ihm benannt.
Beim Abendessen in der „Alten Bürg“ konnten wir unsere Bekanntschaft mit der schwäbischen Küche sowie den kurzkettigen Kohlenwasserstoffen aus der Brauerei „Fürst Wallerstein“ vertiefen 🙂
Danach ging es nach Oettingen auf der anderen Seite des Rieskraters zur Sternwarte unserer Sternfreunde, die sich auf dem Dach des Oettinger Gymnasiums befindet. Trotz einigem Dunst, aufziehender Wolken und Straßenbeleuchtung in der Nachbarschaft konnten wir Mond, Mars und Saturn beobachten.
Am nächsten Tag stand ein Besuch des Nördlinger Rieskratermuseums an. Dieses Museum befindet sich in einem riesigen, historischen Scheunengebäude aus dem Jahre 1503. Mit vielen Ausstellungsstücken und didaktisch hervorragend aufbereitet wird hier der Asteroideneinschlag und seine Auswirkungen dargestellt. Uwe Bahadir, einer der Oettinger Astronomen, führte uns sehr kompetent und kurzweilig durch das Museum. Mehrere Multimediavorführungen machten das „Ries-Ereignis“ anschaulich begreifbar.
Höhepunkt der Ausstellung war allerdings der Mondstein, der 1972 von der Apollo 16-Mission zur Erde gebracht wurde und den die NASA der Stadt Nördlingen überlassen hat. Die Astronauten von Apollo 16 haben seinerzeit ihr geologisches Training im Nördlinger Rieskrater absolviert, unter der Leitung von Eugene Shoemaker.
Nach einem Stadtrundgang und einer Wanderung auf der Stadtmauer um Nördlingen herum, traten wir am frühen Nachmittag die Heimreise an.