Der Weg zu unserer Vereins-Sternwarte

Ein erklärtes Vereinsziel war von Beginn an der Bau einer eigenen Sternwarte, mit der wir einem interessierten Publikum die Faszination des Sternenhimmels wesentlich besser vermitteln können als mit mobilen und meist kleineren Teleskopen.

Die Holzkuppel

Bereits im Jahr 2000 erhielten wir die Information, dass im Münchner Stadtteil Forstenried eine alte Gartensternwarte abgebrochen werden sollte. Mit tatkräftigem Einsatz konnten wir noch die Kuppel vor der Vernichtung retten, in den Besitz des Vereins bringen und bei einem Mitglied einlagern. Dort schlummert sie jedoch bis heute.

Der Schiefspiegler

schiefspiegler-01[1]Ursprünglich sollte in der Sternwarte ein vom Verein zunächst angeschaffter Schiefspiegler aufgestellt werden. Nach einigen Jahren wurde dieser aber weiterverkauft, um Geld für ein größeres Teleskop zu beschaffen.

Standort-Suche

Unsere Bemühungen galten seither der Suche nach einem geeigneten Standort. Unser Verein ist im Voralpenland angesiedelt, wo es noch Oasen mit vergleichsweise geringer Lichtverschmutzung gibt. Grenzhelligkeiten von 6,0 mag oder besser sind bei guter Transparenz möglich. Dieses Potenzial wollten wir nutzen, denn Sternwarten in lichtverschmutzten Gebieten gibt es bereits genug. Der Standort konnte daher nur weiter entfernt von größeren Ansiedlungen sein, sollte aber dennoch gut erreichbar und auch ohne übermäßigen Aufwand zu ver- und entsorgen sein. Astronomisch ideale Gebirgslagen, an die wir grundsätzlich auch gedacht haben, schieden bei realistischer Betrachtung aus. Zudem musste eine baurechtliche Genehmigung zu erhalten sein, was in Außenbereichen eher schwierig ist. Und es musste natürlich auch jemand gefunden werden, der uns einen solchen Platz dann auch zur Verfügung stellt. Alle von uns bisher in Erwägung gezogenen Möglichkeiten waren nicht realisierbar, weil eines der genannten Kriterien nicht erfüllt war.

Photovoltaik-Strom soll die Groß-Kuppel finanzieren

Es blieb unserem Vereinsmitglied Sebastian „Wast“ Seidl überlassen, uns einen gangbaren Weg aufzuzeigen. Wast beschäftigt sich seit längerem mit der Nutzung alternativer Energien und somit auch mit Fotovoltaikanlagen. Diese werden in neuerer Zeit auch als drehbare Anlagen konzipiert, die dem Sonnenlauf nachgeführt werden, um eine optimale Energieausbeute zu erhalten. Die SOLARUS-Anlage der Firma Eggert Stahlbau aus dem oberschwäbischen Oberstadion besteht aus einer Stahlkonstruktion, die, zu einem Gebäude verkleidet, im landwirtschaftlichen Bereich als Maschinenhalle verwendet wird. So eine Anlage lässt sich, so die Idee von Wast Seidel, auch als Sternwarte nutzen. Das Brilliante an der Idee war die Tatsache, dass sich mit dem Erlös aus dem Stromverkauf der Bau der Sternwarte finanzieren ließ.

Endlich ein Standort gefunden

In der Nachbarschaft des Wildparks Oberreith wohnend, hatte Wast Seidl auch einen passenden Standort ins Auge gefasst. Der Wildpark liegt etwas abseits des Weilers Oberreith, bietet aber Parkplätze, Strom- und Wasserversorgung, Toiletten und auch Räumlichkeiten, die für Vorträge genutzt werden können. Bei Wast Seidl hatten wir schon mehrere Veranstaltungen abgehalten und wussten, dass die Gegend verhältnismässig wenig Lichtverschmutzung aufweist. Der Betreiber des Wildparks plante die Erweiterung seiner Freizeitanlage und sah in einer Sternwarte eine willkommene Bereicherung des Angebotes. Er bot uns einen Platz im Erweiterungsgelände des Wildparkes als Standort an. Die Sternwarte konnte außerdem in die Erweiterung des Bebauungsplanes für die Freizeitanlage aufgenommen werden, eine wesentliche Erleichterung für die Baugenehmigung.

Fördermittel-Versuche

Darüber hinaus hatte Wast uns auch die Tür zum Programm LEADER plus aufgetan. Diese Fördermittel der Europäischen Union sind über so genannte lokale Arbeitsgruppen (LAG) zu erhalten. Die für den Standort Oberreith zuständige LAG, das Mühldorfer Netz, hat unser Projekt positiv aufgenommen. Leider waren wir mit unserem Projekt in die Endphase der LEADER plus Förderphase gekommen, und es konnten keine Fördermittel mehr bewilligt werden. Damit schien das Aus für unsere Hoffnungen gekommen, Enttäuschung machte sich breit. Doch die Allianz mit dem Wild-Freizeitpark machte sich bezahlt. Er wurde zusammen mit Wast Seidl und einigen Interessierten, darunter unsere Vereinsmitglieder Burkhard Ehmke und Thomas Hilger, Teilhaber einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (GbR), welche den Bau und die Finanzierung der Sternwarte übernahm. Da die Firma Eggert auch zu Sonderlösungen für ihre SOLARUS-Anlage bereit war, wurde dort um einen Vorschlag nachgesucht, wie sich das Dach der Anlage öffnen lässt, um einem Teleskop den Blick in den Himmel zu ermöglichen. Spannend wurde noch die Frage der Baugenehmigung. Ursprünglich ohne das Erfordernis einer Prüfstatik erteilt, wurde diese nachträglich doch noch für notwendig erachtet. Die Zeit, welche die statische Prüfung erforderte wurde zu einer zermürbenden Wartezeit. Doch dann war es so weit: Die Bauarbeiten konnten beginnen.

Baubeginn

Erster SpatenstichMitte Juli 2007 feierten wir den symbolischen ersten Spatenstich. Symbolisch deshalb, weil das Fundament sich bereits der Fertigstellung näherte.

Bau-Fortschritte

Rohbau der SternwarteAm Vereinsabend am 14. August 2007, den wir nach Oberreith verlegten, durften wir bereits die Tragkonstruktion bewundern. Die Anlage weist mit einer Grundfläche von 10 x 10 Meter beeindruckende Maße aus. Im Prinzip ist es ein Haus, das sich um die eigene Achse dreht. Die Bestückung des Daches mit den Fotovoltaik-Paneelen sowie die Verkleidung mit Lärchenholz waren die weiteren Arbeitsschritte. Die Außenseite der höchsten Wand sollte überdies als Kletterwand dienen. Wast Seidl hat sogar ein Patent zur Solarstromsternwarte beantragt und auch erhalten, denn das Bauprojekt verknüpfte erstmals Solarstrom-Einspeisung in das Stromnetz mit nächtlicher Beobachtung. Zwar beziehen das Hubble-Teleskop und diverse andere Weltraumteleskope ihren Strom ebenfalls von der Sonne, aber sie speisen natürlich nicht ins Stromnetz ein. Die Sternwarten-Kuppel dreht sich auf 4 Schwerlast-Rädern mit je 30 Tonnen Tragkraft. Je 2 davon sind diagonal zueinander angeordnet und werden mit je einem 0,75 kW-Motor angetrieben. Der Drehwinkel wird mit einem Encoder an einem Rad bestimmt. Zweimal täglich wird ein Referenz-Schalter an der Nordmarke in der Bodenplatte überfahren, damit durch Wind und Schlupf der Antriebsräder im Laufe der Zeit keine zu grosse Verdrehung aufsummiert wird.

Teleskop-Suche

Die Instrumentierung der Sternwarte sollte nicht durch die GbR, sondern durch den Verein „Astronomie im Chiemgau e. V.“ selbst erfolgen. Das Nachfolgeprogramm von LEADER plus heisst LEADER in ELER. Das Mühldorfer Netz bewarb sich wieder um diese neuen EU-Fördermittel. Vom Mühldorfer Netz wurden wir ermuntert, unser Projekt erneut zur Förderung anzumelden. Die Entscheidung, ob das Mühldorfer Netz wieder in die Förderung aufgenommen wird, war für Herbst 2007 zu erwarten.

60cm-Gierlinger-Spiegelteleskop

Überlegungen zum Teleskop, bzw. zu den Anforderungen, die es erfüllen soll, hatten wir bereits angestellt. Ein Instrument, das von seiner Größe her den Dimensionen des Gebäudes nicht entspricht, konnte sich keiner von uns wirklich vorstellen. Im März 2007 haben sich daher einige Vereinsmitglieder mit der Vorstandschaft zu dem österreichischen Teleskopbauer Richard Gierlinger ins oberösterreichische Schärding aufgemacht, um sein 60-cm Newton-Teleskop zu begutachten, das er damals verkaufen wollte, um ein noch größeres Gerät in seiner Sternwarte zu installieren. Wir waren von dem Gerät beeindruckt, leider hat uns das Wetter keine Probebeobachtung gegönnt. Hier ein Bericht von unserem Ausflug.

Dobson-Teleskop

In unsere Überlegungen hatten wir auch ein hochwertiges Dobson-Teleskop auf einer Äquatorial-Plattform, wie es von Tom Osypowski angeboten wird, mit einbezogen.

80cm-Wendelstein-Spiegel-Teleskop

Observatorium auf dem WendelsteinIn der Ausgabe April 2008 der Fachzeitschrift „Sterne und Weltraum“ war das Teleskop des Wendelstein-Observatoriums zum Verkauf ausgeschrieben. Am 29. April 2008 fuhr deshalb eine kleine Abordnung von uns auf den Wendelstein, um das Teleskop zu besichtigen. Wir wurden von Herrn Dr. Ulrich Hopp und Herrn Wolfgang Mitsch herzlich empfangen. Eindrucksvoll war die Fahrt im Lift von der Station der Zahnradbahn bis direkt in das Observatorium. Wir sind dabei mehr als 100 Meter direkt im Berg hinaufgefahren, wobei wir sehen konnten, wie der Fels an uns vorbei nach unten glitt. Zwei Stunden im Observatorium genügten allerdings, uns ein Bild davon zu verschaffen, was auf uns zukommen würde, sollten wir uns für das Teleskop erfolgreich bewerben. wendelstein2[1]Die Entscheidung drängte, eine Mitgliederversammlung wurde für den 6. Mai 2008 einberufen. Auf der Tagesordnung stand die Frage, ob sich der Verein um das Forschungsteleskop des Wendelstein-Observatoriums bewerben soll, das zu dieser Zeit abgebaut und meistbietend versteigert wurde. Antrieb und Steuerung des Teleskop waren stark erneuerungsbedürftig, zudem handelte es sich um ein amerikanisches Fabrikat, so dass Ersatzteilbeschaffung und Hilfestellung aus den USA sehr aufwändig gewesen wäre. Die Mehrheit der Anwesenden war deshalb der Meinung, dass dieses Teleskop, dessen Aufstellung in der Sternwarte wegen seiner Bauweise zudem einige Kompromisse erfordern würde, die Möglichkeiten des Vereins sprengt.

So kam man wieder auf das Teleskop von Richard Gierlinger zurück. Der 1. Vorstand Oskar Pircher und Sebastian Seidl mussten allerdings von ihren Gesprächen mit Verantwortlichen des Mühldorfer Netzes berichten, dass sich die Entscheidung über die EU-Fördermittel womöglich bis in das nächste Jahr hinziehen würde. Bis dahin wäre das angebotene Teleskop mit großer Sicherheit anderweitig verkauft. Zu den Finanzierungsmöglichkeiten befragt, rechnete Oskar Pircher den Mitgliedern vor, dass man derzeit einschließlich bereits erhaltender Spendenzusagen über ca. 20.000 € verfüge. Für das Teleskop müssten einschließlich Transport ca. 35.000 € aufgewendet werden, um es einsatzbereit aufzustellen. Die fehlenden 15.000 € konnten nicht nur durch Kredit aufgebracht werden. Vielleicht war es das Bewusstsein, eine nie wieder kommende Gelegenheit zu verpassen, das die anwesenden Mitglieder dazu bewog, auf einer spontan in Umlauf gegebenen Liste namhafte Spendenbeträge zu verzeichnen, welche die Mittel des Vereins flugs auf 25.000 € erhöhten. Einige Mittel glaubte man noch auftreiben zu können, so dass der restliche Betrag, der über Kredit zu finanzieren wäre, überschaubar blieb und vor allem in absehbarer Zeit getilgt werden konnte. Der Beschlussvorschlag des 1. Vorsitzenden, auf die EU-Förderung zu verzichten und das Teleskop von Richard Gierlinger zu erwerben, wurde einstimmig angenommen.

Einbau des 60cm-Spiegel-Teleskops

TeleskopEinbau[1]Am 5. September 2008 fuhren einige Vereinsmitglieder nach Rainbach zur Sternwarte von Richard Gierlinger, um ihn beim Abbau des Teleskops zu unterstützen. Die Montierung selbst, sowie der mittlere Rahmen des Teleskops wurden in einem Stück auf einer Euro-Palette fixiert und mit einem Kran aus der Sternwarte gehoben. Die Ladung wurde anschließend auf einem 7,5t-LKW verladen und gesichert. Am Samstag, 6. September – sinnigerweise der 6. bundesweite Astronomietag – brachte der Lastwagen die lang ersehnte Fracht dann endlich an ihren Bestimmungsort nach Oberreith. Dort stand bereits ein weiterer LKW einer örtlichen Baufirma mit einem Kran bereit, so dass die Montierung, die allein etwa 600 kg wiegt, sofort auf den Sockel in der Sternwarte gehoben werden konnte. Die Freude über die glückliche Ankunft setzte so große Motivation frei, dass das Teleskop schon am gleichen Abend für den ersten provisorischen Einsatz bereit war. Möglich wurde das, weil wir von Vereinsmitgliedern eine Steuerung aus Privatbesitz geliehen bekamen. Hierfür herzlichen Dank!