Hörsaal B023 der Hochschule Rosenheim
„Der Wege sind viele, doch das Ziel ist eins.“ Der persische Dichter Rumi, der diese Worte im 13. Jahrhundert schrieb, hätte sich kaum vorstellen können, dass diese Aussage einen messbaren, physikalischen Inhalt hat und Licht seit Milliarden von Jahren genau so durchs Universum reist, bis es uns erreicht.
Den physikalischen Inhalt, dass Lichtstrahlen auf mehreren Wegen an einer großen Masse vorbeilaufen könnten, erkannte Albert Einstein schon einige Jahre vor der Veröffentlichung seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Er verwarf diese Idee eines solchen, starken Gravitationslinseneffektes zunächst jedoch wieder, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stern passend hinter einem zweiten liegt, so dass dieser Effekt beobachtbar wird, hielt er für zu klein. Stattdessen vollendete er die Allgemeine Relativitätstheorie, mit der er die Lichtablenkung in der Nähe unserer Sonne vorhersagen konnte. Aufgrund unserer Position zur Sonne können wir nur einen schwachen Linseneffekt sehen, d.h. nur die Ablenkung eines einzelnen Lichtstrahls.
Die Bestätigung dieses Effekts für sich – nur wenige Jahre nach dessen Vorhersage – war spektakulär genug: Nachdem Arthur Eddington und sein Team während einer Sonnenfinsternis 1919 die Lichtablenkung in der Nähe der Sonne exakt so gemessen hatten, wie von Einstein prognostiziert, löste die Allgemeine Relativitätstheorie die Newtonsche Gravitationstheorie ab. Doch mit der genaueren Erforschung unserer kosmischen Nachbarschaft und der Entdeckung weiterer Galaxien lebte die Idee des starken Gravitationslinseneffektes in den 1930er Jahren wieder auf. Zur Entdeckung des starken Gravitationslinseneffektes 1979 und zu seinen aktuellen Anwendungen in der Kosmologie mehr im Vortrag — ganz ohne Umwege!
Dr. Jenny Wagner forscht am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg in den Bereichen Gravitationslinsen, Kosmologie, Singularitätentheorie und Mustererkennung & Maschinenlernen von astrophysikalischen Daten.